Irreführung mit Umweltaussagen – klimaneutral und umweltneutral

Irreführung mit Umweltaussagen – klimaneutral und umweltneutral

Die Fälle: Mehrere Gerichtsentscheidungen hatten die Werbeaussagen „klimaneutral“ und „umweltneutral“ zum Gegenstand.

Mühläuser etwa bezeichnete seine Erdbeermarmelade als „klimaneutrales Produkt“. Eine Beschreibung der Klimaneutralität auf dem Etikett fehlte:

Klimaneutrale Marmelade_goodwillprotect.jpg

 

Auch in der dazugehörenden Werbeanzeige „MACHT NACHHALTIG EINDRUCK“ wurde nicht weiter aufgeschlüsselt, warum genau das Produkt nachhaltig sein soll:

Klimaneutrale Marmelade Werbung_goodwillprotect.jpg

 

Die dm-drogerie markt GmbH + Co. KG hatte ihre Flüssigseife auf der Verpackung mit dem Claim „klimaneutral“ und „CO2-kompensiert“ beworben.

dm Fluessigseife klimaneutral_goodwillprotect.png

Zusätzlich war das Logo und der Schriftzug der ClimatePartner Deutschland GmbH abgebildet.

ClimatePartner logo_goodwillprotect.jpg

ClimatePartner vermittelt unter anderem Klimaschutzprojekte. Der Schriftzug in kleineren Buchstaben enthält die Wörter „ClimatePartner.com“ mit einer Projektnummer. Unter dieser Nummer kann auf der Website von ClimatePartner nachgelesen werden, wie die Klimaneutralität für das Produkt erreicht sein sollte. Die Website verwies u.a. auf ein Waldschutzprojekt in Peru, welches nach dem von den Vereinten Nationen 2008 geschaffenen REDD+ Mechanismus (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) und dem Verified Carbon Standard (VCS) validiert worden war.

Auch ein Spülmittel wurde von dm drogerie-markt mit dem Begriff „umweltneutral“ mit Erläuterungen gekennzeichnet.

dm umweltneutrales Spuelmittel_goodwillprotect.png

Angegeben wurde, dass die Umweltkosten in fünf Wirkkategorien kompensiert würden, nämlich bei CO₂-Emissionen, Eutrophierung (also übermäßiger Nährstoffeintrag), Versauerung, Sommersmog und Ozonabbau. Auch hier sollte ein Waldschutzprojekt für die erforderliche Umweltneutralität sorgen.

Weitere Produkte von dm drogerie-markt enthielten demgegenüber das Logo von ClimatePartner mit der Projektnummer hinter dem Namen ClimatePartner und der Angabe „Klimaneutral“:

dm Produkt mit ClimatePartner Logo_goodwillprotect.jpg

 

dm drogerie-markt hat nach Mitteilung des LG Karlsruhe die Werbung in der Zwischenzeit aufgegeben und die Zusammenarbeit mit ClimatePartner beendet. Alle vorgenannten Marktauftritte wurden von den Gerichten bislang verboten. Warum?

 

Rechtliche Grundlagen

Das BVerfG hatte dem Staat aufgegeben, Klimaneutralität herzustellen. Allerdings sei dabei auch der Grundrechtsschutz des Einzelnen zu beachten. Der Übergang zu Klimaneutralität sei deshalb rechtzeitig einzuleiten und es seien grundlegende Voraussetzungen und Anreize dafür zu schaffen.

Dem kommt die Rspr. durch Berufung auf das Verbot einer Irrführung durch Unterlassen nach. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb schreibt vor, dass dem Verbraucher nicht wesentliche Informationen vorenthalten werden dürfen, die er für seine Kaufentscheidung benötigt.

Zu den wesentlichen Informationen, die der Verbraucher für seine Kaufentscheidung benötigt, gehört die Information, wie eine behauptete „Klimaneutralität“ und „Umweltneutralität“ erreicht wurde. Der Verbraucher soll überprüfen können, ob das fragliche Produkt wirklich „klimaneutral“ oder „umweltneutral“ ist, bevor er es kauft.

Auch die Kommission der Europäischen Union hat in ihrer Vorbereitung der künftigen Green Claims Richtlinie ermittelt, dass die Verbraucher besonderen Wert auf die Umweltfreundlichkeit von Produkten legen und auch bereit sind, für solche Produkte mehr Geld auszugeben. Ein Ziel der Green Claims Richtlinie ist es deshalb, über die Verpflichtung zur umfassenden Verbraucheraufklärung umweltfreundlichen Produkten einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, um die Nachhaltigkeit in der Europäischen Union zu fördern.

 

Vorenthalten wesentlicher Informationen

Den Begriff „klimaneutral“ versteht der Verbraucher nach Auffassung einiger Obergerichte nur im Sinne von „CO2-neutral“. Das LG Karlsruhe hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass bekanntermaßen nicht nur der CO2-Ausstoß umweltbelastend ist. Der Verbraucher verstehe unter dem Begriff „klimaneutral“ deshalb eine ausgeglichene Treibhausgasbilanz. Auch das neu gebildete Wort „umweltneutral“ werde von den Verbrauchern nach Auffassung des LG Karlsruhe als Hinweis auf eine ausgeglichene Umweltbilanz verstanden. Folglich dürften unter dem Strich keine (negativen) Einwirkungen auf die Umwelt mehr verbleiben.

Fehlt die Aufklärung über die Hintergrundfakten zu diesen Begriffen ganz, liegt eine verbotene Irreführung vor.

Das war bei der bloßen Behauptung der Klimaneutralität auf dem Marmeladenglas und in der dazugehörenden Werbeanzeige ohne weitere Informationen der Fall. Die Werbung wurde vom OLG Düsseldorf verboten.

Auf der Flüssigseife fand sich unter anderem der Hinweis „Produkt CO2-kompensiert“. Auch das ist jedoch lediglich eine erläuterungsbedürftige Behauptung.

Bei dem Spülmittel wurden fünf für die Umweltneutralität herangezogene Kategorien angegeben, nämlich CO₂-Emissionen, Eutrophierung (übermäßiger Nährstoffeintrag), Versauerung, Sommersmog und Ozonabbau. Zwar mögen das die Big-five der möglichen Umweltbelastung sein. Jedoch beanstandete das LG Karlsruhe, dass damit immerhin noch 8 von 13 Wirkkategorien von Umweltbelastungen unberücksichtigt blieben.  Eine Umweltneutralität könne das nicht ergeben.

Zudem erzeuge das Spülmittel in allen Phasen seines Lebenszyklus Umweltauswirkungen negativer Art. Diese sollen zwar einerseits reduziert und andererseits kompensiert werden. Aber der Verbraucher verstehe den Begriff „umweltneutral“ in dem Sinne, dass keinerlei Einwirkungen auf die Umwelt mehr verbleiben dürfen. Eine bloße Kompensation schädlicher Umweltwirkungen sei deshalb ungeeignet, um eine „Umweltneutralität“ des Produktes zu rechtfertigen.

 

Wie soll die Aufklärung erfolgen?

Das Gesetz akzeptiert, dass eine umfassende Aufklärung wegen der Komplexität der Klimavorgänge schon räumlich nicht in einer Anzeige oder auf einem Etikett erbracht werden kann. Deshalb sind deutlich wahrnehmbare Verweise auf für den Verbraucher bei der Kaufentscheidung leicht erreichbare Informationsquellen zulässig. Zulässig ist nach Auffassung des OLG Düsseldorf etwa der Hinweis „Näheres unter …“ mit der Angabe einer Internetadresse. Auch ein QR-Code (quick response-Code) ermöglicht, wie der Name schon sagt, eine schnelle Informationserteilung.

Das war bei der Abbildung des bloßen Logos von ClimatePartner zusammen mit der Angabe des Namens ClimatePartner und der bloßen Projektnummer nicht der Fall,

ClimatePatner label_goodwillprotect.jpg

wohl aber bei dem Hinweis auf die Website von ClimatePartner auf der Flüssigseife mit der Angabe der Website, die zu den relevanten Informationen führte.

 

ClimatePartner logo_goodwillprotect.jpg

 

Welche Einzelinformationen müssen dem Verbraucher erteilt werden?

Die Gerichte stellten darauf ab, auf welche Schritte im Lebenszyklus eines Produkts sich der Claim der Klima- oder Umweltneutralität bezieht, mit anderen Worten, ob bestimmte (gasförmige) Emissionen von der Bilanzierung ausgenommen wurden. Wesentlich sei dabei die Information, ob die Klima-/Umwelneutralität (auch) durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht wird. Von Bedeutung sei ferner, aufgrund welcher Kriterien die Prüfung für das Label des jeweiligen Zertifizierungspartners erfolgte. Die Kompensationsmaßnahmen sind daher konkret zu beschreiben.

Aufforstungs- und Waldschutzprojekte sollen nach Auffassung des LG Karlsruhe allerdings keine ausreichende Kompensation ermöglichen. Denn sie würden das produktbezogen emittierte Treibhausgas nicht dauerhaft beseitigen. Auch nach Auffassung des OLG Düsseldorf geht der Verkehr nicht davon aus, dass ein Unternehmen, welches sich oder sein Produkt als „klimaneutral“ bezeichnet, allein auf Ausgleichsmaßnahmen Dritter bzw. auf den Kauf von Zertifikaten setzt. Der Zertifikatehandel und andere Kompensationsmöglichkeiten stünden – jedenfalls aus Verbrauchersicht – in dem Verdacht, dass das betreffende Unternehmen nur sog. „Greenwashing“ betreibe, ohne dass der Klimaschutz tatsächlich maßgeblich verbessert werde.

Bleiben die Hintergrundfakten hinter dem Verständnis der Werbeaussage zurück, kann das zwar durch nähere Erläuterungen relativiert werden. Das LG Karlsruhe hat jedoch auch ausgesprochen, dass eine Relativierung schon dann nicht gelingen kann, wenn das fehlerhaft vorgeprägte Verständnis des Verbrauchers durch die Erläuterungen nur verstärkt wird.

 

Noch keine Rechtskraft

Die hier berichteten Urteile sind, soweit ersichtlich, nicht rechtskräftig. Das OLG Düsseldorf hat die Revision zum BGH zugelassen. Es bleibt daher abzuwarten, wie die Rspr. dem Postulat des BVerfG gerecht wird, dass auch die Grundrechte bei den an die Wirtschaft zu stellenden Anforderungen zu beachten sind.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.07.2023 – 20 U 72/22 – Klimaneutrale Marmelade

LG Karlsruhe, Urteil vom 26.07.2023 – 13 O 46/22 KfH

 

Learnings: Achten Sie bei der Werbung mit Umweltaussagen für Ihre Produkte darauf, wie der Verbraucher die entsprechenden Behauptungen verstehen könnte. Die Claims müssen nach dem Verbraucherverständnis wahr sein. In der Psychologie ist anerkannt und allgemein bekannt, dass ein einmal gewecktes falsches Verständnis für seine Korrektur eines höheren Erklärungsaufwands bedarf, als wenn von vornherein eine korrekte Darstellung erfolgt wäre. Die dazu gehörenden Informationen können dem Verbraucher über eine Website bereitgestellt werden. Auf der Verpackung müssen dafür jedoch deutlich sichtbare Hinweise auf diese Quellen angebracht werden. Mittels eines QR-Code lassen sich solche Hinweise einfach aufrufen.

 

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